Interview KF Lucas Huber

Wie der geografische Begriff Hegau nicht an der Schweizer Landesgrenze endet, endet auch der KC Hegau nicht am Zollhäuschen zwischen Thayngen und Bietingen. Das macht ihn zum europaweit einzigen binationalen Kiwanis-Club. Wie lebt es sich zwischen Stuhl und Bank respektive Deutschland und der Schweiz? Ein Einblick mit Präsident Jürgen Glunz und Programmchef Turi Meister.

Kiwanis Magazin: Jürgen, Du bist Deutscher, Turi, Du Schweizer: Gibt es eine Amtssprache im KC Hegau?
Turi Meister: Wir sind alle Alemannen und sprechen Dialekt, das funktioniert. Bei einigen Hochdeutschen im Club bedienen wir uns für offizielle Auftritte oder Referate des Hochdeutschen.


Die Mentalitäten von Deutschen und Schweizern gelten – gelinde gesagt – als ziemlich unterschiedlich. Wie bringt Ihr das unter einen Hut?
Jürgen Glunz: Die Schweizer sind eher bedächtig, zurückhaltend, wollen mittels Diplomatie ans Ziel. Sie duzen sich schneller, bleiben aber dennoch auf Distanz.
Turi: Der Deutsche fällt mit der Tür ins Haus. Wenn er Bier bestellt, klingt das so: ‹Ich krieg ein Bier!› Der Schweizer dagegen: ‹I hätt gern es Bierli, merci.› Das tönt für den Schweizer arrogant und fordernd. Im Club sorgt das aber keineswegs für Probleme; wir haben gelernt, damit umzugehen.


Der KC Hegau zählt 25 Mitglieder, sieben von ihnen sind in der Schweiz zuhause. Der Club unterhält Projekte in der Schweiz (Ausflug mit Schwerstbehinderten des Ilgenparks Ramsen etwa) und in Deutschland (Unterstützung Jugendlicher aus sozial schwachen Familien in der Singener Tagesstätte Langenrain oder das monatliche Kochen in der Tafel Singen).Das Programm des Clubs ist grenzüberschreitend ausgerichtet. Und er hat zwei Clublokale, man trifft sich alternierend im «Chlosterhof» in Stein/Rhein, wo mit Franken bezahlt wird, und im Restaurant Hegauhaus in Singen, wo der Euro die Währung der Stunde ist. Die Preisunterschiede nehmen die KF in Kauf. Doch das sind nicht die einzigen Unterschiede, die die Grenzenlosigkeit dem Club beschert.


Turi: Auch unser Demokratieverständnis ist anders. Wir Schweizer übernehmen mehr Eigenverantwortung, die Deutschen im Gegensatz sagen eher, der Staat soll’s regeln.
Jürgen: Trotz der Grenznähe weiss man von der jeweiligen Lebenssituation, etwa bezüglich Politik, Einkommen, Steuern oder Altersvorsorge, wenig voneinander.


Gibt es Reizthemen?
Turi: Das Thema EU ist allgegenwärtig. Es gibt weitere Themen, die intern, aber auch im Rahmen etwa von Vorträgen, regelmässig und leidenschaftlich, immer aber auch freundschaftlich diskutiert werden. Fluglärm ist so ein Thema, die Abschaltung der AKW, Atomendlager in Grenznähe, das derzeitige Währungsgefälle und der Einkaufstourismus nicht zu vergessen.


Dem gegenüber stehen aber sicher auch Vorteile, von denen ein grenzüberschreitender Club profitiert?
Turi: Wir lernen die Mentalität der «Anderen» und die Besonderheiten des anderen Landes kennen. Ich für mich übrigens ganz nach dem Motto «Leben und leben lassen».
Jürgen: Zwar kein Vorteil, aber ein Effekt ist, differenziert und sachlich über die genannten Themen zu diskutieren, auf freundschaftlicher Basis, mit gegenseitigem Verständnis und Akzeptanz.

Quelle: Kiwanis Magazin 01-2017/18

Über die Grenzen »Wir sind Allemannen«